Was ist PGR Cannabis?
Dabei handelt es sich um die Blüten von Cannabis, das mithilfe von Chemikalien dazu angeregt wird, möglichst viel Blütenmaterial pro Pflanze zu erzeugen. Aus rein wirtschaftlicher Perspektive der Traum jedes kommerziellen Pflanzenzüchters: mit unverändertem Aufwand und Bedarf an Platz und Energie eine höhere Ausbeute zu erzielen.
Für den Verbraucher ergeben sich aber ähnliche Fragen wie bei Wachstumshormonen in der Fleischproduktion oder den wässrigen Tomaten aus niederländischen Gewächshäusern: ist die Qualität eines solchen Produkts noch gegeben, ist der Verzehr unbedenklich, erfüllt so ein Turbo-Gras noch die Anforderungen an ein Medikament? Bei den Tomaten ist die Antwort jedem sofort klar, der mal den Vergleich zwischen einer selbst angebauten Tomate aus dem eigenen Garten und einer Tomate aus den Hochleistungsanlagen aus Holland angestellt hat: ja, die Tomate aus dem eigenen Garten ist kleiner, aber schmeckt eben nicht nur nach Wasser, sondern ist ein kulinarisches Highlight.
Die Nutzung von Wachstumshormonen bei der Tierzucht ist in Europa ebenso verpönt wie das berühmt-berüchtigte Chlorhähnchen aus den USA. Wie verhält es sich bei Cannabis, das nicht nur unter künstlichen Bedingungen auf maximale Ausbeute hin optimiert angebaut wird, sondern zusätzlich mit Wachstumsregulatoren (englisch: plant growth regulators, kurz: PGR) auf hohe Ausbeute optimiert wird: selbst, wenn es mithilfe von Wachstumsregulatoren gelingt, eine Cannabisernte zu produzieren, die den regulatorisch vorgegebenen Kriterien (Gehalt an THC und CBD) entspricht, stellt der Kenner oft fest, dass Geschmack und medizinische Wirkung desselben Strains hinter den Erwartungen zurückbleiben. Die Ursache dafür dürfte man aktuellem Kenntnisstand eben die Maximierung des Ertrags mithilfe der PGRs sein: ja, die Pflanze erzeugt viel Blütenmasse und liefert dabei konstante Wirkstoffgehalte bzgl. THC und CDB. Ohne die PGRs dürften bei selbem Erbgut die erzielten Gehalte an regulatorisch relevanten Wirkstoff ebenfalls konstant sein, aber deutlich höher. Leider sind die „regulatorisch relevanten Wirkstoffgehalte“ nur ein Teilaspekt der Wirksamkeit von Cannabis für medizinische Einsatzzwecke: neben den beiden bekanntesten Cannabinoiden sind für die medizinische Verwendung eben auch weniger häufige Cannabinoide (CBN, CBG, THCV, etc.) von Bedeutung, ebenso die Terpene, die über den Entourage Effekt die medizinische Wirksamkeit ergeben bzw. deutlich steigern. Und genau da greift dann die Problematik, dass Cannabis unter Verwendung von PGRs angebaut wurde, eben weniger der relevanten Inhaltsstoffe beinhaltet, aber trotzdem die Spezifikationen für die Zulassung erfüllt. Für den Freizeitkonsum mögen die beiden Parameter THC- und CBD-Gehalt ausreichend sein, bei der Herstellung von Medizinalcannabis spielen die minoren Cannabinoide und der Gehalt an Terpenen aber eine entscheidende Rolle. Man kann jetzt beginnen, darüber zu streiten, ob die Regularien für Medizinalcannabis dann ausreichend streng gefasst sind, aber bis solche Regularien überarbeitet werden, können bekanntlich Jahre ins Land gehen. Und es ist schon eine Herausforderung, bei einem Naturprodukt die zulässigen Schwankungen bei zwei relevanten Inhaltsstoffen nicht zu überschreiten. Alternativ kann der Markt der Verwendung von PGRs insoweit Einhalt gebieten, dass Hersteller, die mit solchen Tricks aus dem Chemielabor arbeiten, von der Kundschaft boykottiert werden. Dafür muss man dann aber wissen, welcher Hersteller welche Anbaumethoden nutzt, was wiederum eine Transparenz seitens der Anbieter erfordert.
erstellt von SVCM Jens Regenscheit