Da haben wir hart gekämpft, um Cannabis als Medikament zu etablieren und jetzt wird alles erst mal wieder schwieriger.
Für den Überblick zum KCanG und den Bereich Straßenverkehr verweisen wir auf https://petradahl.de/mpu/cang-und-die-auswirkungen-im-verkehrsrecht/
Hier nochmal speziell für Cannabispatienten:
Patienten dürfen natürlich, wie alle anderen, Eigenanbau betreiben und auch Mitglied in einer Anbauvereinigung sein, aber es dürfte zu gewissen Schwierigkeiten mit dem verschreibenden Arzt, den Krankenkassen und dem Führerschein führen.
– Die Ärzte müssten ihre schriftliche Zustimmung zum Freizeitkonsum geben und würden damit dann ja das Medikament Cannabisblüte abwerten. Kein Arzt, der sich mit Cannabis beschäftigt hat und über die Wirksamkeit der Cannabinoide, Terpene, etc. einen fundierten Kenntnisstand besitzt, kann dem Patienten ernsthaft sagen, ja nimm Dein von mir verordnetes Medikament und wenn Du mehr möchtest, organisiere Dich selbst. Nehmen wir das Beispiel anderer psychoaktiv wirkender Medikamente, so wird dies deutlicher: „Ich verschreibe Dir dreimal täglich Opioide. Sollten die nicht reichen, stocke mit frei verkäuflichen Schmerzmitteln auf, bis es für Dich passt, oder gehe zum Kollegen und lass Dir dort mehr verschreiben.“ Der Arzt hat ein Behandlungskonzept, zumindest hoffen wir das. Er überlegt sich daher sehr genau, welche Medikamente er einsetzt, in welchen Mengen und mit welchem Ziel. Wenn er gut ist, so erstellt er einen Medikamentenplan und gleicht ab, welche Wechselwirkungen entstehen können und weist auf Risiken in der alltäglichen Lebensgestaltung, Ernährung, möglichen Einflussfaktoren hin. Er arbeitet ganzheitlich und sorgt für unterstützende Maßnahmen, Physio-, Psychotherapie, denn sein Ziel ist die Verbesserung der Lebensqualität, nicht die Absatzförderung von Medikamenten.
– Die Krankenkassen sind zwar daran interessiert Ihre Kosten niedrig zu halten, haben jedoch auch den Auftrag, die Gesundheit zu fördern, die Krankheitssituation zu verbessern. Inwieweit sie diesem Auftrag gerecht werden, sei dahingestellt. Sollten sie jedoch Kenntnis erhalten, dass ein Patient sein Medikament „just for fun“ durch zusätzlichen Konsum derselben Substanz ergänzt, so wird dies ganz sicher Probleme geben. Schon jetzt besteht die Gefahr, dass insbesondere Cannabisblüten von der Krankenkasse als etwas betrachtet werden, was man selbst anbauen kann, warum also noch die Kosten übernehmen? Der Grund, warum sie das aktuell noch weiterhin tun, ist der Qualitätsmaßstab, der an Arzneimittel angelegt wird. Könnte jeder (manche mögen das können) diese Qualität garantieren, so wäre die Krankenkasse aus dem Schneider und müsste nicht mehr bezahlen.
– Patienten und der Führerschein. Ein schwieriges Thema, kontrovers diskutiert und durch das KCanG und die Entwicklung in der Telemedizin nicht wirklich einfacher geworden. Schon immer stand aufseiten der Freizeitkonsumenten die Frage im Raum, wenn Patienten im Dauerkonsum fahren dürfen, warum nicht auch Freizeitkonsumenten? Argument: gesicherte, gleichbleibende, kontrollierte Qualität des Arzneimittels vs. frei gegrowte, unüberwachte Produktion. Nun könnte man sagen, Anbauvereinigungen müssen testen, daher habe man eine gleichbleibende Qualität und müsse den Patienten gleichgestellt werden. Stimmt, theoretisch, es fehlt nur noch der Nachweis der regulierten Einnahme. Könnte man sich ja aber auch selbst auferlegen. Im § 24 a StVG steht ja aber „gilt nicht, wenn die Substanz aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt.„, damit befinden wir uns im Arzneimittelgesetz und danach können Anbauvereinigungen keine Medikamente herstellen. Patienten und Dauerkonsumenten haben sich bisher also u. a. durch bestimmungsgemäße Einnahme und die überwachte, nach Arzneimittelgesetz hergestellte und ausgegebene Medikation unterschieden.
Daneben gibt es dann noch andere unerfreuliche Entwicklungen.
– Telemedizin und Selbstzahler. Uns und allen damit Befassten war schon vor dem KCanG klar, es gibt Freizeitkonsumenten, die die Lücken im Gesetz, welche die Telemediziner nutzen, erkennen und daraus einen „legalen“ Konsum konstruieren. Der Markt wuchs schnell und hat mit dem 01.04.2024 ein Ausmaß erreicht, das uns alle schockiert. Apotheken sind jetzt indirekt und wahrscheinlich ohne es zu wollen „Fachgeschäfte“ geworden. Zwar gibt es das MedCanG mit dem § 25 Strafvorschriften, aber wer kontrolliert, ob ein eingerissener Zehennagel ausreicht, um Cannabisblüten gegen die daraus resultierenden Schmerzen zu nutzen? Unsere Digitalisierung im Gesundheitssystem ist noch, sagen wir mal freundlich, fehlerbehaftet. Es kann diese Entwicklung nicht aufhalten, fraglich auch, ob so viel Kontrolle wünschenswert wäre. Allerdings wäre ich als Nicht-Telemediziner jetzt auch deutlich vorsichtiger in meiner Bereitschaft Cannabis zu verschreiben. Neben der Befürchtung von Regress zeigt sich die Szene der Freizeitkonsumenten in der Öffentlichkeit nur zu offensichtlich bereit, dem unangenehmen Ruf der Illegalität gerecht zu werden. Videos, Diskussionen mit Tipps zur Umgehung von Regelungen und Gesetzen, sind weder dem Medikament Cannabis, noch dem Ruf von Freizeitkonsumenten zuträglich. Der 01.04.2024 hat eine lange schon nötige Freiheit geschaffen, die aber leider sofort ohne Sinn und Verstand genutzt wurde. Der Öffentlichkeit wurde noch in der Nacht vor Augen geführt, wir nutzen Cannabis schon lange, wissen wie wir auch für den Konsum von illegal erworbenem Cannabis nicht belangt werden können. Nachvollziehbar aufgrund all der aufgestauten Wut, den Repressalien, aber kein guter Einstieg, zumindest nicht für die Akzeptanz von Cannabiskonsumenten, – patienten in der an Cannabis als Konsumgut uninteressierten Bevölkerung.
Alles in allem hat das KCanG und das MedCanG, wie wohl die meisten Gesetze, so viele Schlupflöcher offenbart, dass die Arbeit von Jahrzehnten, Cannabis als Medikament zu etablieren, innerhalb kürzester Zeit torpediert werden konnte. Ergebnis, erste Ärzte, die man zuvor mühsam von der Wirksamkeit überzeugt hatte, ziehen sich zurück. Selbst Patienten, die schon längerfristig mit Cannabis als Medikament als bester oder und letzter Alternative versorgt wurden, es dringend benötigen, erhalten dieses nun vielleicht nicht mehr.
Die Öffentlichkeit schaut verwundert und entsetzt auf Diskussionen über Spielplätze, Abstandsregelungen zu Kindern und Jugendlichen, der Planung von Großanbauflächen durch Investoren und wundert sich, wo die zugesagten Präventionskonzepte geblieben sind.
Cannabis ist mehr denn je in aller Munde, mehr denn je in die Schmuddelecke gewandert. Mehr Menschen als je zuvor laufen Gefahr, mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten, aus der Not ihr Medikament nicht mehr zu erhalten, aus dem Unwissen, was jetzt erlaubt ist und was nicht.
Verwunderlich all das, denn es wurden Kenner und Fachleute der Freizeitszene, Fachleute für Cannabis als Medikament, Wissenschaftler, Gremien und Studien in die Beratungen zum Gesetz miteinbezogen.
Es hätte alles so gut werden können.