Cannabispatienten – Fahreignung:
Für Patienten gelten, falls sie nur medizinisches Cannabis nutzen, keine relevanten (THC; THC-OH; THC-COOH) Werte im Straßenverkehr. Sie dürfen, wie Patienten mit anderen die Fahreignung beeinflussenden Medikamenten auch, unter kontrollierten Bedingungen, wie Wartezeit, Selbsttestung, am Straßenverkehr teilnehmen, soweit sie unter der Medikation in der Lage sind, ein Fahrzeug zu führen. (§ 24a StVG, Abs. 4)
VORSICHT! Cannabis ist nicht gleich Cannabis:
Die als Medikament zur Verfügung stehenden Sorten haben eindeutige genetische Profile. Falls es in einer Kontrolle Zweifel gibt das vorhandene Medikamente verschriebene medizinische Sorten sind, kann ein genetischer Abgleich zwischen dem vorhandenen Cannabis und den verschriebenen medizinischen Sorten durchgeführt werden.
Beikonsum von nicht medizinischem Cannabis bei Cannabispatienten:
Konsumieren Cannabis-Patienten zu dem ihnen für den konkreten Krankheitsfall verschriebenen Cannabis Medikament auch Konsumcannabis, gilt die Grenze von 3,5 ng/ml im Straßenverkehr auch für Patienten, wie bei Freizeitkonsumenten.
Dann gilt:
Nach dem § 13 a FeV (in Verbindung mit Anpassungen in Anlage 4 FeV (Ziffer 9.2.1)) wird jemand, der nicht medizinisches Cannabis konsumiert, bei zweimaliger Überschreitung des Grenzwertes mit Zweifeln an seiner Fahreignung konfrontiert,
eine einmalige Auffälligkeit führt zu einem Bußgeld, [ca. 500 € + 1 Monat Fahrverbot (Probezeit 250€)] hat aber noch keine Prüfung der Fahreignung zur Folge,
- wenn keine Anzeichen für eine Cannabisabhängigkeit
- oder ein Cannabismissbrauch vorliegen,
- es keine vorherigen wiederholten Zuwiderhandlungen im Verkehr unter Cannabiseinfluss (MPU, FÄG)
- oder Cannabismischkonsum (Alkohol, andere Drogen) gab
- und kein vorheriger Entzug aufgrund von Cannabiskonsum stattgefunden hat.
Patienten dürfen, zusätzlich zu dem monatlich erlaubten Besitzes von 50 g innerhalb der eigenen Wohnung (außerhalb 25 g), natürlich zusätzlich noch ihr verordnetes medizinisches Cannabis besitzen, auch wenn dann die Gesamtmenge überschritten wird. [Handel, Weiterverarbeitung von Medizinalcannabis ist nicht erlaubt, es sei denn es liegt eine ausdrückliche, dezidierte Anweisung des Verordners vor.]
Cannabispatienten und Dauermedikation vs. Bedarfsmedikation
Die Prognose einer Fahreignung (Generelle, nicht auf bestimmte Situation bezogene Fähigkeit ein Fahrzeug zu führen) kann nur dann sicher getroffen werden, wenn der Zustand durch das Medikament weitgehend gleichbleibend ist. Fahrtüchtigkeit unter Medikation (Geeignetheit in dem Moment der Fahrt), ist also nur sicher prognostizierbar unter Dauermedikation.
Dauermedikation bedeutet: gleiche Zeiten, gleiche Menge, gleiche Art der Einnahme, gleichbleibendes Medikament [Sorte]).
Bei einer Medikation die an dem Bedarf, also nur beim Auftreten bestimmter Symptome angewandt wird, ist eine Prognose schwierig.
Wenn eine Prognose schwierig ist, muss eine intensivere Begutachtung stattfinden, der Patient muss gute Strategien nachweisen können, sehr achtsam und selbstreflektiert sein. Er sollte sich selbst wie einen Gelegenheitskonsumenten einschätzen und behandeln.
Freizeitkonsumenten
Gelegentlicher Konsum [Einzelkonsum mit Pause, keine Kumulation im Körper, geringe Menge pro Konsum, THC-Konz. bis 10 %] –> ca. 3–5 Stunden, bestenfalls 12 Std., da Unfälle unter weniger als 3,5 ng/ml trotzdem zu strafrechtlichen Konsequenzen kommen kann.
Regelmäßiger Konsum [Depotbildung, Rückresorption verlängert Nachweiszeiten, kein täglicher Konsum, aber mehrfach hintereinander, mit kurzen Pausen -> 3–5 Tage
Dauermedikation entspricht Hochkonsum
Täglicher, mehrfach täglicher Hochkonsum [Aufnahme hoch dosierter Cannabisprodukte oder intensiven Konsumformen (z. B. „Dabbing“, Konsum von
Cannabisblüten ohne Tabakbeimischung), kaum längere Konsumpausen, so dass Kumulationseffekte entstehen und der Grenzwert für die Verkehrsteilnahme nicht mehr unterschritten wird] → mehrere Wochen bis hin zu mehreren Monaten
Dem Freizeitkonsumenten wird grundsätzlich unterstellt, dass er zu
- „Trennvermögen“ eine Kompetenz im Sinne von Fähigkeit,
- „Trennbereitschaft“ die Einstellung und Motivation, dieses Trennverhalten auch tatsächlich auszuführen,
in der Lage ist.
Patienten mit Dauermedikation können selbständig durch einen Leistungstest bei einem privaten Verkehrsmediziner (Eine Begutachtungsstelle benötigt den Auftrag der Führerscheinverwaltungsbehörde), unter Einfluss des Medikaments nachweisen, dass sie fahrgeeignet sind. Diese Option wird von vielen Führerscheinbehörden anerkannt und ist günstiger als das von diesen Stellen bei Auffälligkeiten angeordnete fachärztliche-medizinische Gutachten.
Besonderheiten: Einstellungs- und Eingewöhnungsphasen
Verschiedene Cannabis-Medikamente (Sorten, Extrakte, Fertigarzneimittel) unterscheiden sich in ihren Inhaltsstoffen und damit in ihrer Wirkungsweise. Es liegt daher in der Verantwortung des Patienten, die Teilnahme am Straßenverkehr zu vermeiden, wenn die Fahrsicherheit durch die Symptome der Erkrankung oder die Wirkung der Medikation bzw. durch das Nachlassen/Fehlen der Wirkung aktuell beeinträchtigt ist.
Bei Patienten kann es durch eine Ein- oder Umstellung der Cannabis Medikation (auch bei Medikamenten-, Sortenwechsel) zu einer neuen Einstellungs-, Anpassungsphase an das Cannabis-Medikament kommen. Während einer Einstellungs-, Ein-, Umgewöhnungsphase ist eine Fahreignung nicht gegeben. Diese dauert ca. zwei Wochen.
Besonders zu beachten sind hier die Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten und der Beigebrauch von anderen zentral wirksamen Mitteln.
Hier sollten sich Patienten nicht nur von ihrem verschreibenden Arzt, auch vom Apotheker zu möglichen Wechsel-, Nebenwirkungen beraten lassen.
Hier gibt es auch verschiedene Portale, mit denen man sich selbst informieren kann. (CombiChecker (combi-checker.ch), Wechselwirkungs-Check: Wechselwirkungen von Medikamenten ermitteln | Apotheken Umschau (apotheken-umschau.de)
Selbsteinschätzung der Fahreignung
Trotz Wartezeit können Medikamente durch andere Bedingungen, wie Ernährung, psychische und physische Veränderungen, etc. beeinflusst werden. Um sicherzugehen, dass man fahrtüchtig ist, kann man durch individuell ausgewählte Tests (Reaktionstests, Koordinationstests) die Selbstwahrnehmung überprüfen. Bitte diese Tests immer wechseln, so dass keine Rituale/Gewöhnungseffekte entwickelt werden.
Mitführen der Medikationsnachweise:
Es ist nicht gesetzlich festgeschrieben, dass Patienten unter Dauermedikation einen Nachweis über ihre Medikation mit sich führen müssen.
Es wird jedoch empfohlen eine zusätzliche Ausfertigung des aktuellen Rezeptes für die Cannabismedikation, eine aktuelle Verordnung des Arztes mit eindeutigen Angaben (u. a. zum Medikament, zur Darreichungsform, zu den Einzel- und Tagesdosen, welche der in der Apotheke hinterlegten Angaben entsprechen), mitzuführen.
VORSICHT: Der verschreibende Arzt kann kein verkehrsmedizinisches Attest zur Fahreignung ausstellen.
Verhalten bei Kontrolle durch die Polizei
Die Polizei ist auf Cannabiskonsumenten geschult worden. Daher werden auch Patienten mit Cannabis häufiger als mit anderen Medikamenten erkannt. Das ist keine Schikane, sondern der Illegalität von Cannabis über lange Zeit geschuldet.
Die Polizei ist verpflichtet, bei Hinweisen, die Bedenken an der Fahreignung oder Fahrtüchtigkeit zulassen, dies an die Führerscheinbehörde zu melden (§2 StVG Abs. 12). (Auch bei anderen Medikamenten die ihnen bekannt werden.)
Patienten müssen keine Aussagen zu ihren Medikamenten machen, aber, insbesondere bei Cannabis als Medikament ist es sinnvoll, diese Medikation mitzuteilen, wenn die Polizei einen Verdacht auf Freizeitkonsum äußert. Daher ist ein Mitführen der Medikationsnachweise sinnvoll.
Dabei bitte:
Immer freundlich & friedlich bleiben (§ 113 StGB)
Verhalten bei Unfall
Bei der Polizei keine weitergehenden Aussagen zur Medikation oder zur letzten Einnahme machen! [Es gilt das Aussageverweigerungsrecht (§ 136 Abs. 1 S. 2 StPO)]
Patienten müssen keinen freiwilligen Drogentest (ist ein Medikament, keine Droge), keine Koordinationstests machen und keine Einwilligung zu einem Bluttest geben.
Allerdings führt eine Verweigerungshaltung oft zu größeren Schwierigkeiten.
Daher gilt, solange das Medikament bestimmungsgemäß eingenommen wurde, die notwendigen Dokumente vor Ort mitgeführt wurden, der Polizei diese Unterlagen als Kopie zur Verfügung stellen.
Unfälle unter einer Medikation können, ohne den Nachweis einer Fahreignung unter Medikation, dazu führen, dass die Versicherung den Schaden nicht übernimmt.
Der Patientenstatus ist kein Makel, aber er kann dafür sorgen, dass die Versicherungen Schwierigkeiten bereiten, die Schuldfrage eher auf den medikamentierten Patienten geschoben wird.
Schlüsselzahlen im Führerschein
Patienten, die ihren Führerschein nach bekannt werden der Medikation erworben haben, finden oft eine Eintragung in Form einer Schlüsselzahl in ihrem Führerschein. Ähnlich wie bei Menschen, die nur mit einer Brille fahren dürfen (01) findet sich häufig eine Eintragung zu Alkohol (05.08).
Hier der Text nochmal zum Download
Allzeit gute, sichere Fahrt