Prof. Dr. Michael Rapp, Sozial- und Präventivmediziner an der Universität Potsdam, ist laut einem Zeitungsartikel der Meinung, dass die alternde Generation der Babyboomer künftig das Gesundheitssystem vermehrt durch Sucht belasten wird. Zusammenhänge sieht er dabei im „steigenden“ Cannabis- und Alkoholkonsum. Innerhalb von vier Jahren hätte sich die Rate der Senioren ab 65 Jahren, die im jeweils vergangenen Jahr Cannabis konsumiert haben, nahezu verdoppelt.

Wir meinen: Aus der steigenden Konsumanzahl auf automatisch zahlenmäßig für das Gesundheitssystem relevante Suchtkrankheiten schließen? Schwierig. In dem Artikel wird weder erwähnt, auf welche Studie sich bezogen wird, noch, ob in dieser Konsumanfrage medizinisches Cannabis mit enthalten war, ob (Sucht-)Vorerkrankungen bestanden, wie hoch die Konsumfrequenzen waren etc. Vielleicht ein Versäumnis der Journalistin? Wir wünschen uns an dieser Stelle künftig umfangreichere, weniger in die Irre führende und sachlich korrekt dargestellte Informationen!

Weiter meint Herr Prof. Rapp, dass eine vermehrt auftretende Alkoholsucht zum Problem werden kann, die vor allem durch „Wiedertrinker“ (statt durch über die Jahre hinweg stetige Alkoholiker) verstärkt wird. Zwischen 50 und 70 Jahren nehme der Alkoholkonsum vermehrt stark zu. Die gesundheitlichen Folgen des Alkohols sind inzwischen hinreichend bekannt. Dass Alkohol medizinisch verwendet wird (außer in wirklich irrelevanten, kleinen Mengen), fällt in dieser Betrachtung weg, jedoch wären auch hier weitere statistische Maßangaben wie die Konsumfrequenz wichtig zu wissen, um den Sachverhalt korrekt einordnen zu können.

Wichtig ist, dass wir nicht leugnen wollen, dass ein Risiko von künftig vermehrt auftretenden Suchtkrankheiten besteht. Mehr Konsumenten können durchaus zu auch vermehrt dysfunktionalem Konsum führen. Jedoch ist dies keine zwingende Folge daraus, vor allem nicht mit einer so unsicheren Datenlage feststellbar. Wir erwarten stichfeste Daten und ordentlich durchgeführte Auswertungen, bevor überhaupt an Aussagen über potenzielle Entwicklungen nachgedacht werden kann.

Fakt ist: Bereits mit Grundkenntnissen der Statistik sollte klar sein, dass allein aufgrund der steigenden Anzahl an Erstkonsumenten (feststellbar an der Frage „Haben Sie in den vergangenen 12 Monaten xy konsumiert?“ – ohne weiterführende Fragen nach der Menge, Dauer, Häufigkeit, Konsumumständen etc.) definitiv nicht einfach abgeleitet werden kann, dass wir auf eine für das Gesundheitssystem relevante Menge an süchtigen Rentnern zusteuern. Bitte schaut euch die Studien und Aussagen über Studien genau an, bevor ihr eine Meinung über einen vermeintlichen Sachverhalt übernehmt!

Quelle: Medical Tribune