Einige Telemediziner und Ärzte versprechen Patienten, dass sie mit der Bescheinigung Patient zu sein unter dem Einfluss von Cannabis Auto fahren können.

Leider ist die Bescheinigung für Polizei und Behörden nicht aussagekräftig.

Der verschreibende Arzt muss über die Risiken im Straßenverkehr aufklären und dies schriftlich, mit der Unterschrift des Patienten, dokumentieren, er ist aber, solange er kein Verkehrsmediziner ist, nicht in der Lage eine Bescheinigung über die Fahreignung auszustellen.

Patienten können sich jedoch selbst absichern.

Durch die Durchführung eines „Leistungstests unter Cannabismedikation bei einem privat tätigen Verkehrsmediziner“, haben sie, ohne dass die Behörden involviert werden müssen, eine reale Absicherung die sehr oft weitere Einzelfalluntersuchungen verhindern.

Fahreignung und Fahrtüchtigkeit machen hier den Unterschied

Mit dem Führerscheinerwerb, bei Patienten meist ja noch ohne Medikation, wird eine grundsätzliche Eignung zum Führen eines Fahrzeugs im Straßenverkehr festgestellt. Kommen hier durch die Einnahme von Medikamenten oder Erkrankungen Zweifel an den notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen auf, so muss diese erneut geprüft werden. Das geschieht in Form einer Einzelfallentscheidung durch die Behörde, bei Patienten ist das meist ein fachärztliches Gutachten.

Auffälligkeiten hingegen, also Fahrten, bei denen man Fahrfehler begeht, lassen Zweifel an der Fahrtüchtigkeit aufkommen, also an einem aktuellen Zustand, darunter fallen dann z.B. Fahrten unter Einfluss von Genusscannabis. Dabei ist aber die grundsätzliche Fahreignung nicht in Frage gestellt, sondern nur die Fahrtüchtigkeit zu dem aktuellen Zeitpunkt. Darum gibt es hier, je nach Konsummenge auch nicht sofort eine Einzelfallentscheidung, sondern oft nur ein zeitlich begrenztes Fahrverbot und ein Bußgeld. So kommt es das Cannabiskonsumenten einmal mit dem aktuellen Grenzwert auffällig werden können und nicht viel passiert und Patienten, sofort sanktioniert werden.

Bei Patienten kommt es zusätzlich darauf an, ob eine Dauermedikation, also gleichbleibend in den Zeiten, der Art, der Menge und den Sorten der Einnahme oder eine Bedarfsmedikation, die rein an aktuellen Symptomen orientiert ist, vorliegt.

Bei einer Dauermedikation kann man recht sicher die Fahreignung prognostizieren. Hier entsteht ein meist recht gleichbleibende THC Spiegel, also ein dauerhaft gleichbleibender Zustand.

Bei einer Bedarfsmedikation ist eine Prognose kaum möglich, denn der Zustand des Patienten ändert sich ja je nach Einnahmezyklus. Es gibt keine Kumulation, also keinen gleichbleibender THC-Spiegel, denn im Grunde genommen findet jedes Mal bei einer am Bedarf orientierten Einnahme, eine neue Einstellungsphase statt.

Das ist den meisten Patienten jedoch nicht bewusst.

Im Gegensatz zu Cannabiskonsumenten steht einem Patienten die Entscheidung den Konsum zu kontrollieren und vom Fahren zu trennen nicht frei. Er ist auf das Medikament angewiesen.

Cannabiskonsumenten haben durch die Regelung im § 13 a FeV, erst bei zweimaliger Auffälligkeit mit einem Grenzwert von 3,5 ng/ml sanktioniert zu werden, bevor andere Maßnahmen als Bußgeld und Fahrverbot stattfinden ihr Verhalten zu ändern.

Daher kommt die scheinbare Ungleichbehandlung.

Beides das Cannabismedikament des Patienten und Cannabis des Konsumenten stellt eine potentielle akute Gefährdung des Straßenverkehrs dar. Und durch den § 2 Abs. 12 des Straßenverkehrsgesetzes ist die Polizei auch dazu verpflichtet dies bei bekannt werden an die Fahrerlaubnisbehörde zu melden.

Übrigens kann ein Fahrzeughalter auch Probleme bekommen, denn er muss die Fahrtüchtigkeit des Fahrers prüfen, bevor er sein Fahrzeug jemandem überlässt. Ich glaube auch das ist Eltern von jungen Konsumenten häufig nicht bewusst.

Der neue Grenzwert 3,5 ng/ml

24 a Abs. 1a StVG, der den neuen Grenzwert von 3,5 ng/ml im Blutserum beinhaltet und § 13 a FeV, der eine zweifache Zuwiderhandlung für eine Prüfung der Fahreignung regelt, werden in der Fachwelt noch heiß diskutiert, stellen aber jetzt die neue Rechtsgrundlage dar und werden angewendet.

Dabei ist dieser Grenzwert ein sogenannter Auffangtatbestand im Sinne einer Gefahrenabwehr. Übersetzt bedeutet das, die Polizei darf bei einem Wert von 3,5 ng/ml aktivem THC im Blut tätig werden. Eben um Gefahren im Straßenverkehr zu verhindern. Denn bei einer THC-Konzentration, ab 3,5 ng/ml, einem abstrakten Gefährdungsdelikt, nimmt man an, dass Konsumenten vorsätzlich oder fahrlässig, aber auf jeden Fall mit einer noch wahrnehmbaren Wirkung fahren.

Dieser Grenzwert stellt per se also erstmal den Verdacht in den Raum, das der Konsument nicht durchgehend ein ausreichendes Trennvermögen von Cannabiskonsum und Fahren umsetzen kann.

Wie wir wissen, ist die Wirkung von Cannabis individuell stark unterschiedlich, je nach Konsummenge, -dauer, aber auch abhängig von vielen anderen Variablen in der Lebensgestaltung. Die Halbwertszeit von THC ist jedoch unabhängig vom Konsummuster.

Nach dem Konsum sinkt die THC-Konzentration aufgrund der Verteilung und der Metabolisierung rapide ab. Insbesondere gut durchblutete Organe wie Herz, Lunge, Gehirn und Leber nehmen große Mengen THC auf. Zwar wird bei einem regelmäßigen Konsum das THC im Fettgewebe gespeichert, es wird aber auch kontinuierlich aus lipophilen Speichergeweben wieder freigesetzt und dem Blutkreislauf wieder zugeführt.

Daher erreicht jemand mit mehr als nur Gelegenheitskonsum auch schnell Werte über 3,5 ng/ml. Hier ist bei Konsumenten mit zwei Auffälligkeiten dann zu prüfen, ob ein Trennvermögen für Konsum und Fahren gegeben ist.

Für Patienten spielt dieser Wert keine Rolle. Insbesondere bei einer Dauermedikation sind die Werte völlig irrelevant, denn durch das Medikament wird die Fahreignung ja wieder hergestellt, die vorher durch die Erkrankung eventuell nicht mehr gegeben war.

Wartezeiten nach Konsum 

Die Deutsche Gesellschaft für Verkehrspsychologie, hat gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin im Mai eine Empfehlung zur Wartezeit gegeben. 

Gelegentliche Konsumenten, also Menschen die einmalig konsumieren dann mehrere Tage pausieren, eine Einzelkonsummenge von maximal 25 mg THC, also ungefähr 0,25 g Cannabis mit 10 % THC nicht überschreiten, sollten nach 3-5 Stunden Werte unter 3,5 ng/ml erreichen. Die Wirkstoffkonzentration im Blutserum hängt dabei auch von Begleitumständen des Konsums, wie z.B. der Packdichte und Temperatur des Joints, der Inhalationstiefe sowie von individuellen und schwankenden Faktoren bei der Verteilung im Körper und Verstoffwechselung des Cannabis ab. Die kann der Konsument nicht berücksichtigen und die kann man auch nicht berechnen oder verallgemeinern.

Empfohlen wird daher eine Wartezeit von 12 Stunden für Gelegenheitskonsumenten, damit sie ganz sicher ohne Beeinflussung durch Konsum sind.

Sind die Wirkstoffgehalte unbekannt, mit einer ggfs. erhöhten THC-Konzentration oder wird eine größere Menge Cannabis konsumiert, sollte die Wartezeit bis zur Verkehrsteilnahme mindestens 24 Stunden betragen.

Wird Cannabis oral aufgenommen, gegessen, ist der Wirkungseintritt und auch das Nachweisfenster deutlich verlängert. Wie lang kann allerdings niemand sagen, so dass auch hier die 24 Stunden Regel gilt.

Der Übergangsbereich zwischen gelegentlichem und regelmäßigem Konsum kann aufgrund fehlender wissenschaftlicher Untersuchungen dazu, wie sich ein wiederholter Konsum an zwei aufeinanderfolgenden Tagen, z. B. am Wochenende auf die Nachweisdauer auswirkt derzeit nicht genauer und sicher bestimmt werden. 

Bei einem regelmäßigen Konsum kann eine Depotbildung von THC und eine Rückresorption ins Blut die Nachweiszeit aber wesentlich verlängern.

Dieser liegt vor, wenn die Konsumzeitpunkte nicht mehr als singulär oder isoliert bezeichnet werden können. Entweder ohne Pausen, in denen sich THC vollständig abbaut, oder mit einem Wirkstoffgehalt der höher ist als 10% THC und mehreren Einheiten an einem Konsumzeitpunkt.

Beschränkt sich der Konsum auf moderate Einzelkonsummengen, ist zumeist nach 3-5 Tagen nicht mehr mit einem Nachweis oberhalb von 3,5 ng/ml zu rechnen.

Bei täglichem oder mehrfach täglichem Konsum ist eine Verkehrsteilnahme in der Regel grundsätzlich ausgeschlossen und sollte erst nach einer längeren Abstinenz über mehrere Wochen wieder in Erwägung gezogen werden.

Fahrsicherheitsrelevante Beeinträchtigungen können natürlich auch unter diesem Grenzwert auftreten und verursacht man dann einen Unfall kann vor Gericht eine relative Fahrunsicherheit aufgrund der Cannabiswirkung angenommen werden und es könnte auch unterhalb des OWi-Grenzwerts zu einer Verurteilung wegen einer Straftat kommen.

Lesens und hörenswert:

Die Studie von Thomas Marcotte aus dem Jahr 2022 [Diving performance and cannabis users perception of safety: A randomized clinical trial] zu finden in Jama Psychiatry 2022 79 (3); 201.209 als open Access.

Die Diskussion dazu kann man sich anhören, dazu gibt es einen gut verständlichen Podcast.

Untersucht wurden Konsumenten mit ganz unterschiedlichen Konsumgewohnheiten und dementsprechend unterschiedlicher Toleranzentwicklung.

 Es gab keine Unterschiede, die mit vorherigen Konsumgewohnheiten in Zusammenhang standen,

  • die Höhe des THC-Gehalts im Endocannabinoidsystem spielte keine große Rolle bei der Veränderung der Leistungs-, Konzentrations- und Aufmerksamkeitsveränderungen.
  • Auch in der Selbsteinschätzung, wann Konsumenten sich als wieder fahrgeeignet einschätzten zeigten sich keine Unterschiede, allerdings nahmen Langzeitkonsumenten während des Rauschzustandes von 4,5 Stunden, diesen nicht in der Intensität wahr, wie Menschen die seltener konsumierten, zeigten aber identisch schlechte Fahrleistungen.
  • Eine veränderte Leistungsfähigkeit war aber insgesamt über 4,5 Stunden nachweisbar.

Zur Selbsteinschätzung der Fahrtüchtigkeit:

Auf Nachfrage würden von allen Konsumenten nach 30 Minuten knapp 50 % wieder fahren, nach 1,5 Stunden schon knapp 70 % und ab 3,5 Stunden schon 90%.

Gefragt, wie beeinflusst sie sich fühlten gaben die Konsumenten an bis 3,5 Stunden nach dem Konsum eine Wirkung verspürt zu haben, glaubten aber, dass diese nach 1,5 Stunden schon keine Auswirkung mehr auf ihre Fahrtüchtigkeit habe.

Die Einschränkungen bei Fahrten unter Konsum liegen insbesondere bei höheren Beanspruchungen im Fahrverhalten, einfädeln aus Ausfahrten, Überholvorgänge, Schwierigkeiten die Spur zu halten. Und dass sie da Fehler gemacht hatten fiel den Konsumenten erst deutlich später auf als der Kontrollgruppe.

Woher die Leistungsabsenkungen kommen, ist noch nicht klar.

 Woran liegt das?

In den ersten 10 Minuten spiegelt das THC Level im Blut den selbstempfundenen Zustand von berauscht sein wieder. Der THC Spiegel im Blut fällt aber sehr schnell ab und ungefähr nach einer Stunde ist der THC Spiegel im Blut großenteils abgesunken, während der Rauschzustand weiterhin in ähnlicher Weise vorhanden ist. Das bedeutet, man kann nach ca. 1,5 Stunden sehr hohe THC Konzentrationen im Blut haben und sich berauscht fühlen, aber auch sehr niedrige THC Konzentrationen und sich ebenso berauscht fühlen, als wären es hohe Konzentrationen.

Daher sind THC Konzentrationen im Blut nicht wirklich aussagekräftig über den Zustand der Fahreignung.

Wichtig ist – die Blut THC Korrelationen spielen keine Rolle, eventuell metabolisiert in andere Umgebungen und ist da nachweisbar, die Forschung dazu läuft noch.

Die take home message für Patienten und Konsumenten ist, auch bei Dauermedikation, -konsum, die Beeinflussung von Cannabis wird, auch ohne akut empfundenen Rausch, schnell als zu gering eingeschätzt.

Gleichsetzung von Patienten mit Konsumenten durch Behörden?

Hier scheint es aufgrund von Unsicherheiten bei Behörden, aber auch der Polizei, manchmal entgegen den gesetzlichen Vorgaben, unterschiedliche Vorgehensweisen zu geben.

Grundsätzlich gilt hier der § 11 FeV zur eingeschränkten Eignung aufgrund einer Medikamenteneinnahme und/ oder Erkrankung. Nach diesem muss die Behörde ein fachärztliches Gutachten anordnen. Verweigert der Patient dieses gilt er als nichtgeeignet zum Führen eines jeden Fahrzeuges im Straßenverkehr.

Das gilt nach § 14 auch bei dem Verdacht auf missbräuchlicher Einnahme, darunter könnten Patienten mit dem Beikonsum von Genusscannabis fallen, also Cannabis aus Eigenanbau und/ oder CAV.

Dann greifen auch § 316 StGB zu Ausfallerscheinungen und § 315 StGB zur konkreten Gefährdung, die zum Entzug der Fahrerlaubnis führen. Das gilt auch dann, wenn vorherige Verstöße gegen § 24 a des Straßenverkehrsgesetzes vorliegen. So kann es dazu kommen, dass auch Patienten eine MPU machen müssen