Basiswissen: MCDA-Studie

In den kommenden Wochen werden wir für Euch einige Studien analysieren, die verschiedene Aspekte von medizinischem Cannabis und ggf. anderen Substanzen zu Inhalt haben. Diese Studien haben gemeinsam, dass sie Entscheidungsgrundlagen für komplexe Fragestellungen liefern können. Zu diesem Zweck wird eine Methodik verwendet, die mit dem Kürzel MCDA bezeichnet wird.
MCDA steht dabei für „multiple cirterion decision analysis“, frei übersetzt also eine „Entscheidungsanalyse anhand vielfältiger Kriterien“. Eine solche Entscheidungsanalyse kann dabei helfen, die optimale Lösung für äußerst komplexe Fragestellungen herauszuarbeiten. Ein typisches Beispiel dafür wäre die Standortwahl für ein Atom-Endlager. Hier gibt es viele, häufig gegensätzliche Interessen zu berücksichtigen, die abhängig davon, wen man fragt, auch noch sehr unterschiedliche gewichtet werden können.

Bleiben wir beim Beispiel eines nuklearen Endlagers:
Nach kurzem Überlegen fallen dazu vermutlich jedem ein paar Punkte ein, die sie/er ganz individuell für wichtig hält. Beispielsweise könnten dies sein:

  • Sicherheit bei der Einlagerung
  • Kosten für den Bau/Betrieb der Anlage
  • Langzeitstabilität der geologischen Formationen
  • Umweltschäden durch den Aufbau der Anlage
  • Nähe zu gewohnten Gebieten
  • Grundhaltung der Bevölkerung in der Region
  • Sicherheit vor ungewollten Fremdzugriffen (z.B. Terroristen)

Das ist schon eine ganze Menge an einzelnen Aspekten und trotzdem weit entfernt davon, sämtliche Interessen zu berücksichtigen. Hinzu kommt dabei noch, dass die bereits genannten Punkte für unterschiedliche Gruppen eine stark abweichende Gewichtung beinhaltet: so dürften den Anliegern Fragen nach Sicherheit oder lokalen Umweltschäden deutlich wichtiger sein, als die Kosten, die für die Betreiber der AKW (oder den Steuerzahler) für die Endlagerung anfallen.

Um all diese Teilaspekte zu einem Kompromiss zusammenzuführen, der für alle Beteiligten unter dem Strich das beste Ergebnis liefert, bedient man sich einer Methode, die von Statistikern erarbeitet wurde, um genau solche Fragestellungen sinnvoll bearbeiten zu können, eben der MCDA-Studie.

Im ersten Schritt werden dafür Fachleute und Repräsentanten ausgewählt, wobei darauf zu achten ist, dass alle Interessensgruppen in angemessener Weise berücksichtigt sind und zu Wort kommen.

  • Vertreter von Anwohnern
  • Umweltaktivisten
  • Geologen

Im zweiten Schritt werden dann von Fachleuten und Repräsentanten sämtliche Teilaspekte zusammengetragen, die für die Entscheidung relevant sein können:

  • Lärmbelästigung
  • Risiko einer Kontamination des Grundwassers
  • Langzeitstabilität der unterirdischen Formationen, in denen das Endlager errichtet werden soll

Der nächste, wichtige Schritt besteht dann darin, die möglichen Alternativen, beispielsweise die verschiedenen Standortoptionen, anhand der ausgewählten Kriterien miteinander zu vergleichen, indem man für jedes einzelne Kriterium an jedem möglichen Standort eine Punktzahl vergibt, etwa von 0 bis 100. Dabei bekommt die jeweils beste Option die maximale Punktzahl von 100, die jeweils schlechteste Option wird mit 0 bewertet, die weiteren Optionen werden anschließend entsprechend eingeordnet. Um bei dem Beispiel der Standortwahl zu bleiben:
Die Einlagerung in einer kilometerdicken Granitschicht wäre mit Blick auf die Langzeitsicherheit eine der besten Optionen, würde also 100 Punkte bekommen, während das Verklappen der nuklearen Abfälle im Meer gar keine Langzeitsicherheit liefert und dementsprechend 0 Punkte bekommt.
Wenn man die selben Standortoptionen nach dem Kriterium der Kosten analysiert, ergibt sich ein ganz anderes Bild: hier ist das Aushöhlen einer geeigneten Kaverne in einer Granitplatte sicher die teuerste Option (0 Punkte), während die Entsorgung im Meer vergleichsweise ein Schnäppchen wäre (100 Punkte). Weitere Optionen, etwa die Einlagerung in Schiefervorkommen lägen dann für beide Kriterien irgendwo dazwischen: es wäre nicht so aufwändig, ein Endlager in Schiefer zu erbauen, aber nicht so einfach wie das Verklappen. Die Kosten dürften näher am Lager in Grant sein, dafür wäre die Langzeitsicherheit aber deutliche besser. Ein Endlager in Schiefergestein bekäme dann beispielsweise 30 Punkte bei den Kosten (schon verhältnismäßig teuer), es wäre aber verhältnismäßig sicher, solange kein Wasser eintreten kann (70 Punkte).

Nachdem man sich für alle weiteren Optionen und Kriterien bezüglich der Punktzahlen geeinigt hat, besteht der vorletzte Schritt darin, die einzelnen Kriterien zu gewichten:

  • Wie wichtig ist die Langzeitsicherheit
  • Wie wichtig sind die Kosten
  • Wie viele Anwohner sind betroffen

Je nach Komplexität der Fragestellung, Anzahl der Kriterien, Anzahl der Standortoptionen und Anzahl der Interessensgruppen ist es ein sehr aufwändiger Prozess, all diese Bewertungen vorzunehmen.

In einem letzten Schritt werden die ermittelten Zahlen, also sowohl die Bewertungen als auch die Gewichtungen, insgesamt ausgewertet. Da es sich um eine Vielzahl von Werten handelt, wird dafür in der Regel ein Computer genutzt, den letzten Schritt auszuführen.

Das Ergebnis der Analyse ist nach diesem zeitaufwändigen dann Verfahren dann ein einfaches Balkendiagramm, an dem man auf einen Blick erkennen kann, welche der möglichen Optionen die höchste Punktzahl erreicht hat und somit die beste Wahl darstellt. Natürlich kann man das Punktesystem auch umkehren und ermitteln, welche der Optionen die schlechteste Wahl darstellt, indem man bei der Punkteverteilung hohe Punktzahlen für ein schlechtes Abschneiden vergibt und eine niedrige Punktzahl für gutes Abschneiden.

Abschließend noch kurz zum Hintergrund, warum diese statistische Methode hier vorgestellt wird:
in den kommenden Wochen sollen hier einige Studien vorgestellt werden, die Analysen von Fragen zum Thema Cannabis mit genau diesem Werkzeug vornehmen. Mit dieser etwas langatmigen Vorstellung der Methode selbst kann verhindert werden, dass die Methode jedes Mal erneut vorgestellt werden muss.