Hier findet sich immer noch nicht alles zum Thema, aber wir hoffen das Wichtigste zusammengefasst zu haben…
Patient – Dauermedikation – Bedarfsmedikation
Cannabispatienten sind meist Patienten mit Dauermedikation (gleiche Menge + gleiche Zeit), manchmal aber auch mit Bedarfsmedikation (Symptominduziert). Sie erhalten Cannabis in Form von Fertigarzneimitteln, Rezepturen oder in Form von Cannabisblüten. Cannabismedikation mit THC-Gehalt ist immer fahreignungsrelevant und unterliegt dabei im Straßenverkehr denselben Regelungen wie bei allen anderen Patienten mit fahreignungsrelevanten Medikamenten.
Die Fahreignung von Patienten mit fahreingungsrelevanter Medikation kann/muss daher von der Verwaltungsbehörde bei bekannt werden immer infrage gestellt werden.
Meist werden Ausnahmen gemacht wenn:
der Patient mit Dauermedikation sich freiwillig, nach der Einstellungsphase, einem verkehrsmedizinischen Leistungstest unterzogen hat. Damit hat der Patient gezeigt, dass er sich der Fahreignungsrelevanz seines Medikamentes bewusst ist. Durch die Testung ist er seiner Verantwortung als Straßenverkehrsteilnehmer nachgekommen. Getestet wird auf Leistungsfähigkeit, Reaktionsfähigkeit und Konzentrationsfähigkeit. Dieser Lesitungstest muss von einem freien Verkehrsmediziner durchgeführt werden. (s. auch https://petradahl.de/wp-content/uploads/2023/03/Hinweise-CM.pdf)
Oft beschweren sich Cannabispatienten sie wären die einzigen die diesen Regelungen unterlägen. Das ist so nicht richtig.
Andere Fahrsicherheitsrelevante Arzneimittel:
- Opioide Analgetika (Schmerzmittel)
- Psychopharmaka (Antidepressiva, Antipsychotika)
- Anxiolytika/Hypnotika bzw. Sedativa (z. B. Benzodiazepine oder Z-Substanzen
- wie auch freiverkäufliche Mittel wie Diphenhydramin etc.)
- Psychostimulanzien (z. B. Methylphenidat, Modafinil oder Amphetamine bei ADHS)
- Substitutionsstoffe (z. B. Methadon, Buprenorphin oder Morphin
- bei Opioidabhängigkeit)
- Cannabisarzneimittel (z. B. THC-haltige Fertigpräparate, Medizinalcannabisblüten)
- Antikonvulsiva (Pregabalin, Gabapentin, Carbamazepin etc.)
- Antihistaminika (1. Generation mit sedierenden Eigenschaften)
Was wird von einem Patienten mit Dauermedikation erwartet?
Alle Patienten mit Dauer- und Bedarfsmedikation
… sind verpflichtet, sich mit ihrem Medikament, Wirkungen und Wechselwirkungen, auseinanderzusetzen. Sie müssen sicherstellen, dass sie verantwortungsvoll mit ihrem Medikament umgehen (Aufbewahrung, Einnahme) und sich unmittelbar vor jeder Fahrt selbst prüfen, ob sie psycho-physisch in der Lage ist, am Straßenverkehr teilzunehmen.
… müssen auf die Einnahme zusätzlicher psychotroper Substanzen verzichten, wie z. B. Alkohol, was bei Bekanntwerden einer Medikation mit der Schlüsselzahl 68 in den Führerschein eingetragen werden kann.
… sind verpflichtet, sich an die Verordnungen des Arztes zu halten und keine selbstständige Änderung der Therapie durchzuführen.
Ausnahme:
Liegt eine sogenannte Bedarfsmedikation vor, kann eine Fahreignung nicht ohne Weiteres angenommen werden, auch dann nicht, wenn der Umgang verantwortungsvoll ausgestaltet ist.
In diesen Fällen kommt der kritischen Selbstwahrnehmung des Patienten hinsichtlich der dann ungewohnten Medikamentenwirkung besondere Bedeutung zu. Ein Patient unter Dauermedikation hat einen (anzunehmenden) gleichbleibenden Wirksamkeits-Spiegel. Ein Patient mit Bedarfsmedikation befindet sich dauerhaft in einer „Einstellungsphase“ und in dieser ist weder der Patient mit Dauermedikation noch der mit Bedarfsmedikation fahrgeeignet.
Dies gilt ebenfalls, wenn eine regelmäßige Medikamenteneinnahme mit einer Bedarfsmedikation kombiniert wird.
Unabhängig davon stellt sich bei Bedarfsmedikation zusätzlich die Frage, inwieweit ein stabiler Krankheitsverlauf ohne fahrsicherheitsrelevante Symptome gewährleistet werden kann. Dies ist abhängig von der zu der Verordnung führenden zugrunde liegenden Erkrankung.
Was passiert, wenn die Verwaltungsbehörde von der Medikation erfährt?
Die Behörde ist verpflichtet mit dem geringstmöglichen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte zu prüfen, ob der Patient fahrgeeignet ist (und er zuvor keinen Leistungstest hat durchführen lassen). Das heißt, bei Patienten ohne Vorgeschichte (Drogenkonsum, Mängel in der charakterlichen Eignung) wird ein Gutachten bei einem Verkehrsmediziner angeordnet.
Fachärztliches Gutachten Cannabispatient (ÄGA)
- Ziel: Ist-Zustandsfeststellung
- Konkrete Frage abhängig von Verkehrsbehörde
- meist Drogenkontrollprogramm mit 2 Urinscreenings gefordert
- Lesitungstest
- Attest des verschreibenden Arztes
- Frage nach Wirksamkeit der Therapie und Umgang mit dem Medikament
- Frage, ob eine MPU als erforderlich angesehen wird
Ein fachärztliches Gutachten beinhaltet keine Prognose und wird meist bei Erstauffälligkeit mit THC und vorherigem Medizinalcannabisrezept / Bescheinigung durchgeführt. Ein Medizinalcannabisrezept das nach dem Bekanntwerden erstellt wurde hat, selbst unter dem weit verbreiteten Argument der Selbstmedikation, meist keinen Einfluss, bestand zum Zeitpunkt der Einnahme doch ein Drogenkonsum mit nicht zugelassenen BtM.
Wann muss der Patient zur MPU?
Das fachärztliche Gutachten ist negativ für den Patienten ausgefallen, oder es lagen folgende Gründe vor:
- Auffälligkeit im Verkehr unter THC-Einfluss ohne Medizinalcannabisrezept /
Bescheinigung (Medzinalcannabisverordnung nach der Fahrt) - Mehrere zurückliegende Auffälligkeiten unter THC / anderen Drogen und MPUs (erneute Auffälligkeit unter THC mit Medizinalcannabisrezept / Bescheinigung datiert vor der Fahrt)
- Zurückliegende Auffälligkeiten Alkohol / (andere) Drogen und MPU (Erneute Auffälligkeit unter THC mit Medizinalcannabisrezept / Bescheinigung datiert nach der Fahrt)
-> Erneute Auffälligkeit unter THC mit Medizinalcannabisrezept / Bescheinigung datiert nach der Fahrt
Muss mein verschreibender Arzt Auskunft geben?
Auf Anfrage der Begutachtungsstelle sollte der Arzt Auskunft geben. Ohne dieses Grundlagenwissen ist eine Begutachtung nicht möglich. Dies sollte er unter anderem auch deshalb tun damit nicht er selbst in die Haftung genommen wird, falls der Patient gegen die Verordnung und die Aufklärung verstoßen hat.
Denn: Im Bereich der Medikamentengabe wird zwar durch die Regelung des § 24 a Abs. 2 Satz 3 Straßenverkehrsgesetz (StVG) das Führen eines Kraftfahrzeuges nach bestimmungsgemäßer Einnahme von THC, Morphin, Benzoylecgonin, Amphetamin, MDE oder MDMA von der Ordnungswidrigkeit ausgenommen, allerdings greift dies nicht, wenn zuvor ärztlicherseits darüber aufgeklärt wurde, dass aufgrund der Dosierung nach Medikamenteneinnahme keine Fahrtüchtigkeit mehr besteht.
Erfasst werden beim verschreibenden Arzt meist
- Fahreignungsrelevanz der Grunderkrankung zu überprüfen (mit/ohne
Cannabismedikation), - Gründe für die Wahl von Cannabinoiden
- Fokus auf möglichen Beeinträchtigungen der Fahreignung durch die Cannabismedikation
- Informationen zur Art, Sorte des Medikamentes, Menge, Häufigkeit und
Dosierungsanweisung - Bisheriger, geplanter, weiterer Verlauf der Behandlung,
- Adhärenz und Häufigkeit des Arzt-Patienten-Kontaktes
- Aufklärung des Patienten über Risiken bei der Verkehrsteilnahme
- Angaben zu Komorbidität, Ko-Medikation
Aber auch der Patient ist auskunftspflichtig und sollte vorbereitet sein auf folgende Fragen
- Grunderkrankung, bisheriger Verlauf, Fahreignungsrelevanz
- Bisherige therapeutische Maßnahmen und Entscheidung für Cannabismedikation
- Erfahrungen mit Nebenwirkungen der Medikation
- Dosierung und Anwendung des Medizinalcannabis (Dauer- versus Bedarfsmedikation)
- Intensität der Betreuung und Einschätzung der Adhärenz
- Früherer, illegaler Drogenkonsum
- Alkoholanamnese
- Beikonsum (Medikamente oder Drogen)
Wozu ist mein Arzt bei fahreignungsrelevanten Medikamenten dem Patienten gegenüber verpflichtet?
Grundsätzlich gebietet die strafrechtlich nach § 203 Strafgesetzbuch (StGB) sanktionierte Schweigepflicht dem Arzt, zunächst das Gespräch mit seinem Patienten zu suchen und diesen über die Gefahren des Autofahrens vor dem Hintergrund des jeweiligen (temporären) Gesundheitszustandes aufzuklären. Hierbei ist es oftmals wichtig, den Patienten klarzumachen, dass eine Fahruntüchtigkeit absolut besteht und es insoweit keine Ausnahmen für „kurze Fahrstrecken“ oder „bekannte Wege“ gibt. Der Arzt kommt damit auch seiner Informations- und Aufklärungsverpflichtung (§§ 630 c Abs. 2, 630 e Abs. 1 BGB, sog. Sicherungsaufklärung) nach.
Dies sollte der Arzt, auch im Hinblick auf eine spätere Beweisproblematik dokumentieren.
Wann sollte der Arzt den Patienten ansprechen?
Die Aufklärung über die erkrankungs- oder therapiebedingte Fahruntüchtigkeit ist grundsätzlich verpflichtend für den Arzt. Sie hat keine rechtliche Bindungswirkung, sondern führt für den Patienten nur dazu, dass ein gegen die Anweisung des Arztes verstoßendes Verhalten als grob fahrlässig oder sogar vorsätzlich einzustufen ist (führt evtl. zum Verlust der Deckung in der Kfz-Haftpflichtversicherung im Falle eines Unfalles). Soweit der Patient sich trotz ordnungsgemäßer Aufklärung dann nicht an die Hinweise des Arztes hält, ohne dass der Arzt dies vorab erkennen konnte, kann dem Arzt kein Vorwurf gemacht werden.
Unterlässt der Arzt es allerdings, seine Patienten über mögliche Auswirkungen von Medikamenten auf die Fahrtüchtigkeit zu informieren oder kann er dies im Schadensfall nicht nachweisen, könnte sich für den Arzt ein Problem im Sinne einer eigenen Haftung des Arztes für etwaige Unfälle des Patienten ergeben (s. LG Konstanz, Urteil vom 14. April 1972, Az.: 5 O 74/72).
Ist der Arzt verpflichtet die fahreignungsrelevante Medikation zu melden?
Eine rechtliche Verpflichtung zur Mitteilung an Dritte hat der Arzt nicht. Es sei denn der Patient kündigt dem Arzt eine Straftat an, dann ist der Arzt verpflichtet dies zu melden. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat diese Meldungen aus Notstandsgesichtspunkten (§ 34 StGB) für gerechtfertigt erachtet (Urteil vom 8. Oktober 1968, Az.: VI ZR 168/67; ebenso OLG München, Urteil vom 26. April 1956 Az. Ws 208/56). Allerdings muss der Arzt sich kurz fassen, darf lediglich die Diagnose die Fahruntauglichkeit begründet, sowie die Angabe, dass aus ärztlicher Sicht Zweifel an der Fahrtüchtigkeit bestehen, weiterleiten.
Woher weiß der Arzt was fahreignungsrelevant ist?
Die Fahrerlaubnisverordnung (FeV) enthält in den Anlagen 4, 5 und 6 eine Liste von Erkrankungen, die eine Eignung zum Führen von Fahrzeugen in Frage stellt.
Bei Medikation finden sich die Informationen, für Patienten und Ärzte im Beipackzettel, bzw. in der Roten Liste. BtM Arzneimittel gelten alle als fahreignungsrelevant.
Quellen:
Urteilsbildung in der Fahreignungsbegutachtung – Beurteilungskriterien, 4. Auflage, Deutsche Gesellschaft für Verkehrspsychologie (DGVP). Deutsche Gesellschaft für Verkehrsmedizin (DGVM), 4. Auflage 2022, 470 Seiten, ISBN: 978-3-7812-2047-8
https://www.gesetze-im-internet.de/fev_2010/
https://www.gesetze-im-internet.de/stvg/
https://www.bfarm.de/DE/Home/_node.html
https://www.bast.de/DE/Home/home_node.html