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Engpässe bei der Lieferung wichtiger Medikamente sind mittlerweile keine Seltenheit mehr, aber wieso kann es in einem so bürokratisierten und durchorganisierten Land wie Deutschland dazu kommen?

Ist Corona, der Ukraine-Krieg, die Klimakatastrophe Schuld? Nein, all diese Faktoren haben womöglich einen Anteil an den Schwierigkeiten in der Arzneimittelversorgung, eine Analyse zeigt jedoch, die zunehmende Herstellung von Medikamenten in Ländern wie Indien und China sind der Auslöser.

Ursprünglich wurden Medikamente (Drogen) und Farben in kleinen Geschäften angeboten.

Erst später entstand daraus die Pharmaindustrie.

Nun nehme man noch Patente hinzu, die nur eine zeitlich begrenzte Schutzwirkung auf die Herstellung von Arzneimitteln haben und schon haben wir eine Generikaindustrie. Ein Generika ist ein Arzneimittel, das in Wirkung und Wirkstoffen dem Original gleicht, ein Nachweis hierfür ist nicht mehr so kostenintensiv ohne all die Zulassungsanforderungen. Somit ist die Einführung in den Markt deutlich günstiger. Denn bis das Patent auf ein Arzneimittel abläuft, ist ausschließlich der Patentinhaber zur Herstellung berechtigt. Generikahersteller in Europa und den USA ist es verboten vor dem Ablauf des Patentschutzes, den Wirkstoff zu produzieren oder einzukaufen und so die nötigen Tests für die Zulassung durchzuführen.

Grundsätzlich ist die Produktion von Generika für Patienten also gut, denn so werden Medikamente mit der Zeit günstiger. Um das sicherzustellen, wurde 2003 das GKV-Modernisierungsgesetz eingeführt, mit der Möglichkeit, dass Krankenkassen mit Arzneimittelherstellern Rabattverträge auf rezeptpflichtige Medikamente abschließen konnten.

Rabatt = Kaufverpflichtung, Ausnahmen nur im Einzelfall.

Bekommt ein Arzneimittelhersteller also keinen Rabattvertrag, wird er Schwierigkeiten haben, seine Generika auf den Markt zu bringen. Hier findet sich also schon der erste Denkfehler und eine Monopolisierung, die jetzt ein Grund für die Engpässe sind. Denn dies bedeutet natürlich eine Einschränkung der Anzahl der Hersteller, die zu einigen wenigen Produkten führen, neben denen viele andere dann keine Chance auf dem Markt haben.

Die gesetzlichen Krankenkassen sollen dafür Sorge tragen, dass allen Patienten alle Arzneimittel und Medizinprodukte zur Verfügung stehen, die sie benötigen. Dass die Krankenkassen marktwirtschaftlich arbeiten müssen, ist wohl jedem klar, aber dass diese kapitalistische Orientierung durch diverse Gesetzesänderungen nun zu Schwierigkeiten führt, war den Entscheidern offensichtlich nicht klar oder eben egal?

Ich werde hier nicht darauf eingehen, wie das Verhalten der Krankenkassen in der Realität aussieht, denn das ist eine völlig andere Dimension des Umgangs mit Patienten, die das Vergehen in Bezug auf Arzneimittel nochmal locker toppt.

In den Ländern, in die ein großer Teil der Arzneimittelherstellung ausgelagert wurde, wie Indien und China, spielen solche Regelungen keine große Rolle. Daher können sie sehr effizient innerhalb von Stunden nach Ablauf des offiziellen Patents Generika liefern. Dagegen haben andere Hersteller, die sich an die Gesetze Europas oder der USA halten müssen, keine Chance. Die Bedingungen, unter denen in diesen Ländern produziert wird, spielen dabei ebenso wenig eine Rolle wie die Sicherung der Produktionsfähigkeit im Ausnahmezustand, wie jetzt bei Corona oder bei eventuellen Kriegen.

Im Bereich der Cannabismedikamente beschweren sich Patienten zurecht, dass einige Produkte nicht sauber sind. Von Seeds über Insekten bis hin zu Schimmel finden sich immer wieder gesundheitsschädliche Verunreinigungen, die durch ein Umgehen der GMP-Richtlinien möglich gemacht werden.

GMP steht für „Good Manufacturing Practice“ (gute Herstellungspraxis). Diese Richtlinien schreiben vor, wie Arzneimittel zu produzieren sind, welche Maßnahmen zur Qualitätskontrolle eingehalten werden müssen, welche Abweichungen akzeptabel sind, welche Qualifikationen die Zulieferer einhalten müssen, welche Daten aufbewahrt und eingereicht werden müssen usw.

Bitte beachten, das hier ist Hörensagen: Hersteller verlagern auch hier die Produktion an Orte, an denen diese Regeln keine große Rolle spielen und versenden die Produkte dann zu GMP-Betrieben. Damit ist der offiziell verlangten GMP-Praxis dann Genüge getan.

In Indien und China, wo ein Großteil der grundlegenden Wirkstoffe für Arzneimittel produziert wird, die dann auch in indischen Pharmaunternehmen verarbeitet werden, ist Europa und diese Gesetzgebung weit weg.

Nun hier haben wir aber ein Puzzleteil, warum wir Lieferengpässe haben, denn diese Länder sind von Corona gebeutelt, es gab starke Beschränkungen und Produkte wurden einfach gar nicht mehr hergestellt oder nicht geliefert.

Einen realistischen Ausweg aus dieser offensichtlich den Patienten nicht zuträglichen Situation gibt es nicht. Denn hier hat die Marktwirtschaft und eine Gewinnoptimierung alles fest im Griff. Gesetzesänderungen sind nicht in Sicht, Herstellungsprozesse werden in anderen, nicht europäischen Ländern weiterhin preiswerter sein. Und Krankenkassen wollen auch weiterhin Kosten sparen. Erst Notlagen wie aktuell in Kinderkliniken und bei lebensnotwendigen Medikamenten machen deutlich, wie tief wir schon in Prozesse verstrickt sind, deren Urheber sich auf Kosten der Patienten bereichert oder sich einfach nur das Leben erleichtert haben. Und klar ist auch, eine Krankenkasse, die sich nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen aufstellt und diese als erste Priorität ansieht, kann und wird nicht Patienten im Fokus haben.

So steht zu befürchten, dass Patienten in Zukunft Cannabis eher in Fachgeschäfte erwerben werden und müssen, auch wenn eine medizinische Qualität, gleichbleibende Chargen dort eher nicht zu erwarten sind.

Und was bedeuten diese Verträge für Apotheken? Können Apotheker unter diesen Umständen Ihren Job noch nach Ihren Werten der guten Patientenversorgung durchführen? Was muss geschehen, damit die Krankenkassen einsehen, dass sie mit allen anderen Beteiligten zusammenarbeiten müssen, um Sicherheit und gleichmäßige Versorgung zu gewährleisten?