Cannabis wird seit einigen Jahren (und Jahrzehnten) immer präsenter in der Öffentlichkeit – in Deutschland wie auch weltweit. Sowohl das Gesetz „Cannabis als Medizin“ im Jahr 2017 als auch die angekündigte (wie auch immer geartete) Legalisierung tragen zwar zu einer verstärkten Präsenz in den Medien bei, sind jedoch keineswegs als Auslöser des Hypes zu verstehen, sondern eher als Folge. Wie kommt das? Im folgenden Artikel versuche ich, die dahinterliegenden Mechanismen kurz und prägnant wiederzugeben, ohne eine wissenschaftliche Abhandlung darzulegen.
Um die dahinterliegenden Prozesse zu verstehen, ist ein kleiner geschichtlicher Rückblick nötig. Cannabis als Nutz-, Rausch- und Heilpflanze ist bereits seit Jahrtausenden bekannt und wurde bis ins 20. Jahrhundert als solche genutzt. Erst seit ca. 40 Jahren ist sie verboten – nahezu weltweit, in kürzesten Zeitabständen illegalisiert. Dahinter stand ein politischer Prozess (sehr schön nachzulesen im Buch „Drogen – Die Geschichte eines langen Krieges“ von Johann Hari). Daraus lässt sich schließen, dass die – zu welchem Zweck auch immer – beabsichtigten Wirkungen der Pflanze erstens schon lange bekannt sind, zweitens aber mit den heutigen wissenschaftlichen Methoden erst im neuen Ausmaß belegt werden könnten (unter Voraussetzung strenger Richtlinien eben wegen des Rechtsstatus‘) und drittens eine gewisse Faszination gewiss auch darauf beruht, dass heutige Generationen Cannabis nicht anders als „verboten“ kennengelernt haben. Natürlich macht dies, gerade für Jugendliche, einen gewissen Reiz am berauschenden Konsum aus. Andererseits schürt dieser Sachverhalt auch eine lange gezüchtete Angst, vor allem unter älteren Menschen. Die tatsächlichen Schwierigkeiten, die der sich entwickelnde Schwarzmarkt im Laufe der Jahre mit sich brachte, vollenden schließlich den Mythos des „großen Unbekannten“: gestreckte Ware, Mischkonsum mit anderen illegalen Drogen und der lange gehegte Mythos der „Einstiegsdroge Cannabis“ – der übrigens inzwischen wissenschaftlich widerlegt wurde und reine Wortklauberei ist – erhitzt die Gemüter ebenso sehr wie das offensichtlich vorhandene Suchtpotenzial der Substanz. Schwierig wird die Diskussion schließlich durch festgefahrene Meinungen und Interessenkonflikte; spätestens, wenn es um ein neu gefundenes Geschäft geht für die wie aus dem Boden geschossene Cannabisindustrie.
Cannabis als konsumierte Substanz ist also keineswegs neu, weder für die Menschheit an sich noch in Deutschland. Jahre der Entbehrung, mangelnde Forschung, Verdrängung und Nebenwirkungen des Schwarzmarktes haben jedoch den Anstieg des Freizeitkonsums der letzten Jahre nicht bremsen können. Die rauscherzeugende Wirkung von Cannabis ist in ihrer Art und Weise unvergleichlich und scheint den Menschen etwas geben zu können, worauf einige nicht verzichten wollen. (Warum, das ließe sich soziologisch erklären.) Inzwischen ist Cannabiskonsum, sei es als Medikament oder zum Freizeitgebrauch, so weit in die Mitte der Gesellschaft vorgedrungen, dass sich nun auch Menschen damit konfrontiert sehen, die sich vorher nie damit auseinandersetzen mussten oder wollten. Die stellenweise zwangsläufig daraus entstehenden Kontroversen laden das Thema emotional auf – und schon sind die Medien dahinter und pushen es. Die Legalisierung wird wohl einen neuen Höhepunkt der Aufmerksamkeit verursachen, bis Cannabis „wieder normal“ ist und die nächste Droge in den Fokus rückt. Die Drogen einer Gesellschaft verändern sich im Laufe der Zeit – Cannabis ist auf dem Vormarsch. Letztlich sagen jedoch alle Begleitumstände einer Droge mehr über die Gesellschaft aus als die Forschung über die Substanz selbst. Eine ebenso wichtige Frage wie die nach dem gesellschaftlichen Umgang mit Cannabis ist daher die, warum wir überhaupt so mit ihr umgehen.
Was sagt das über unsere Gesellschaft aus?