Nachdem ich heute in einem Beitrag des DLF (Minute 1:12) gehört hatte, Menschen in Kanada, die mit einer schweren Cannabiskonsumstörung (Cannabisabhängigkeit) ins Krankhaus kämen, würden häufig innerhalb eines 5 Jahreszeitraum (mit einem 2,8-mal höherem Risiko) sterben, war ich irritiert. Das wäre etwas ganz Neues und daher musste ich dem nachgehen. Also habe ich diese Studie genauer betrachtet und verschiedene ältere Studienergebnisse zu Cannabiskonsumenten in Kanada nochmal genauer betrachtet.
Es zeigen sich in mehreren Studien signifikante Trends hin zu mehr Krankenhausaufenthalten und gesundheitlichen Folgen im Zusammenhang mit Cannabiskonsum. Aussagen zu vermehrten Todesfällen durch den Konsum von Cannabis, selbst im Abhängigkeitsbereich, fand ich nicht.
Also sterben jetzt wirklich vermehrt Menschen an dem Missbrauch, der Abhängigkeit von Cannabis, wie in der kurzen Nachricht dargestellt wurde?
Die dort zitierte Studie analysierte von September bis Dezember 2024 statistische Daten von 11.622.571 Personen (15 – 105 Jahre alt) die zwischen 2006 und 2021 in Ontario lebten. Davon hatten 106.994 eine Cannabiskonsumstörung, zu deren Behandlung sie ins Krankenhaus gingen. Statistisch gesehen, starben von diesen Personen in den 5 Jahren nach der Behandlung 3,5 %. Die Ursachen des Todes wurden anhand der allgemeinen Bevölkerungsstatistik ermittelt, weitere Erkrankungen wurden bei beiden Gruppen, die andere beinhaltete Personen mit Substanzgebrauchsstörungen anderer Art, berücksichtigt.
Viele wichtige Parameter bleiben hier aber leider unklar (Es geht mir nicht um Fehlersuche (Schwächen), sondern um die Grundlagen auf denen die Aussagen getroffen wurden)
Informationen zu Häufigkeit, Dauer, den Einnahmearten und anderen relevanten Faktoren zum Konsum, weitere Konsummitteln, (evtl. im Mischkonsum), vorhandenen psychische / physische Erkrankungen, Informatioonen zu dem sozialen Umfeld, den Verhältnissen des Konsumierenden, etc., lagen den Forschenden nacxh eigenen Aussagen nicht vor.
Die aufgeführten Todesursachen in jüngeren Jahren (15–44 Jahre) werden vermehrt auf Substanzgebrauch anderer Stimulantien, Traumata und Selbstverletzungen zurückgeführt. 20 % der Todesfälle bei den Patienten mit Cannabis-Substanzgebrauchsstörungs konnten die Forscher, wie sie schreiben auf Alkohol, Opioide oder andere Substanzen zurückzuführen.
Ab 45 Jahren fand man als Todesursachen häufig Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Atemwegserkrankungen. Eine Erklärung der Forscher war, dass Personen mit Cannabiskonsum häufig zusätzlich Alkohol und Tabak konsumieren. Das erhöhte Sterberisiko erklärt sich hier durch die chronische Erkrankung, die teilweise auf die schädlichen Wirkungen von Tabak und Alkohol zurückzuführen sind.
Kanada legalisierte Cannabis am 17.10.2018, der Zeitraum der statistischen Erhebung umfasst somit 12 Jahre vor der Legalisierung und nur 3 Jahre nachdem legalisiert wurde. Die Ziele der Legalisierung von Cannabis im kanadischen Cannabisgesetz (cannabis act) sind Jugendschutz, Reduktion illegaler Aktivitäten, Entlastung des Rechtssystems, eine qualitätsgesicherte Versorgung mit Cannabis und eine verbesserte Wahrnehmung der Gesundheitsrisiken von Cannabis. Kanada hatte nicht wie Deutschland mit der Erstellung einer Produktions-Infrastruktur zu kämpfen. Es gab sofort Produkte aus kontrolliertem Anbau. So stieg der Anteil des legalen Cannabis innerhalb eines Jahres auf 23,7 % bis 2021 auf 72 %. 53 % konnten in Fachgeschäften erworben werden, elf % in Online Shops und 8 % wurde im Eigenanbau produziert. (Canadian Cannabis Survey)
Heute erwerben fast 73 % Cannabis legal, nur noch 15 % aus „sozialen“ nur 3 % aus illegalen Quellen. Daher dürfte sich die Qualität des konsumierten Cannabis deutlich verbessert haben und der Kontakt mit anderen illegalen rauschmitteln zurück gegangen sein. Natürlich werden nach wie vor noch negative Auswirkungen, Angst, Panik, schneller Herzschlag (14%), Übelkeit oder Erbrechen (5 %) und Kopfschmerzen (5%) berichtet, auch Dissoziation oder Entpersonalisierung (6%) treten als Nebenwirkungen weiterhin auf. Dreißig Prozent (30 %) gaben an, in den letzten 12 Monaten eine negative Reaktion oder negative Auswirkungen auf die Gesundheit erlebt zu haben, was bei denjenigen höher war, die normalerweise die Auswahl von THC-vorwiegenden Produkten (34%) bevorzugten, im Vergleich zu denen, die normalerweise CBD-überwiegende Produkte ausgewählt haben (26%).
Allerdings kann man heute davon ausgehen, in der Zeit von 2006 – 2018 waren die Menschen deutlich weniger über Neben-, Wechselwirkungen, gesundheitliche Folgen bei übermäßigem Konsum, Mischkonsum mit Tabak, nebenwirkungsarme Eindosierung, diverse Einnahmemöglichkeiten informiert.
Eine Frage stellt sich daher, auch wenn es „nur“ eine statistische Erhebnung ist:: Wieso wurde diese nicht in unterschiedliche Zeiträume, vor, nach der Legalisierung unterteilt?
2006 – 2018 und 2019 – 2021 würden sicherlich andere Ergebnisse zeigen. Allerdings könnte man dann nur über den ersten Zeitraum und die Todesfälle in den 5 folgenden jahren etwas aussagen. Für 2019 – 2021 liegen diese Ergebnisse noch gar nicht vor.
Es gibt viele Studien zu Folgeerkrankungen, manche auch schon mit einem vor / nach Legalisierungsvergleich. Diese Studien haben auch ihre Schwächen, sie vernachlässigen aber nicht alle die Veränderungen in einer Gesellschaft die durch eine Legalisierung stattfinden kann und werfen (meist) nicht legales und illegales Cannabis in einen Topf. Und das ist ein wichtiger Unterschied!
Darum für alle die bis hierhin gelesen haben und wirklich interessiert sind, einige obeflächlich dargestellte Inhalte von Studien aus Kanada, denn wir wollen Cannabis auf keinen Fall verharmlosen.
Krankenhausaufenthalte
- Von 2015 bis 2021 wurden insgesamt 105.203 Krankenhausaufenthalte im Zusammenhang mit Cannabis registriert, wobei die alters- und geschlechtsstandardisierten Zahlen (Januar 2015 3,99 / 100.000 bis März 2021 6,6 / 100.000) nach der Legalisierung um das 1,62-fache angestiegen sind (Myran et al., 2023).
- Der signifikanteste Anstieg war bei Cannabis-induzierten Psychosen zu verzeichnen. Während der Markteinführung lag die Zahl bei 1,40. Anders ausgedrückt stiegen Cannabis-induzierten Psychosen mit Krankenhausaufenthalten während der Kommerzialisierung um 40 % (Myran et al., 2023).
- Signifikant mehr Psychosen in der Adoleszenz. Bevölkerungsbasierte Umfragedaten von 2009 bis 2012 mit Aufzeichnungen über Gesundheitsleistungen, die bis 2018 im Rahmen der allgemeinen Gesundheitsversorgung in Ontario, Kanada, abgedeckt waren, umfasst Befragte im Alter von 12–24 Jahren zu Beginn ohne vorherige psychotische Störung ( N = 11.363). Das primäre Ergebnis waren Tage bis zum ersten Krankenhausaufenthalt, Besuch in der Notaufnahme oder ambulanten Besuch im Zusammenhang mit einer psychotischen Störung gemäß validierten Diagnosecodes. (McDonald, 2024)
- Bei Jugendlichen kam es bei Jungen im Alter von 10 bis 14 Jahren zu einem Anstieg der Krankenhausaufenthalte im Zusammenhang mit Cannabis, während bei älteren Jugendlichen kein signifikanter Anstieg auftrat. (Auger et al., 2021).
- Krankenhausaufenthalte aufgrund von Cannabis nahmen von 2003 bis 2017 um 176 % zu, insbesondere bei jungen Erwachsenen und Personen mit niedrigem Einkommens („Changes in Rates of Hospitalizations due to Cannabis Harms in Ontario, Canada Before the Legalization of Nonmedical Cannabis: Retrospective Population-level Study Between 2003 and 2017“, 2022).
Besondere Risiken
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Bei Personen mit Cannabiskonsumstörungen ist das Risiko, an kardiovaskulären Nebenwirkungen zu erkranken, um 60 % höher als bei anderen (Bahji et al., 2023).
- Besuche in der Notaufnahme: Die Zahl der Personen, die in der Notaufnahme im Zusammenhang mit Cannabis vorstellig wurden, hat deutlich zugenommen, was auf eine Zunahme gesundheitlicher Komplikationen im Zusammenhang mit Cannabiskonsum hindeutet (Fischer et al., 2023).
- Schätzungen der Sterblichkeit: Die spezifischen Sterblichkeitsraten für Cannabiskonsumstörungen sind hier nicht detailliert erfasst und konnten nur indirekt auf Cannabis zurückgeführt werden. Die Mortalität steht in erster Linie im Zusammenhang mit Autounfällen und Konsumstörungen (Fischer et al., 2016).
Besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen
- Eine Studie mit Jugendlichen, die auf der Straße leben, ergab keinen signifikanten Zusammenhang zwischen täglichem Cannabiskonsum und Krankenhausaufenthalten, was darauf hindeutet, dass diese Bevölkerungsgruppe trotz hoher Konsumraten widerstandsfähiger/daran gewöhnter zu sein scheint. (Reddon et al., 2021).
- Die Längsschnittstudie wies darauf hin, dass der Cannabismissbrauch bei Vielkonsumenten abnahm, was auf ein potenziell positives Ergebnis einer Legalisierung hindeutet (McDonald et al., 2024)].
Mortalität und Morbidität
- 2012 wurde Cannabiskonsum mit 287 Todesfällen in Verbindung gebracht, die hauptsächlich auf Störungen des Cannabiskonsums und damit verbundene Gesundheitsprobleme zurückzuführen sind (Imtiaz et al., 2016).
- Die auf Cannabis zurückzuführende Mortalität wurde hauptsächlich mit Autounfällen und Lungenkrebs in Verbindung gebracht (Fischer et al., 2016).
Positive Ergebnisse der Nutzer von medizinischem Cannabis
- Patienten mit Herz-Kreislauf Vorschädigungen, wiesen ein um 60 % erhöhtes Schlaganfallrisiko auf, starben aber nicht. (Vin-Raviv et al., 2017).
- Bei Krebspatienten senkte der Konsum von Cannabis die Sterblichkeitsraten im Krankenhaus (Vin-Raviv et al., 2017).
Die Daten deuten vielfach auf steigende Gesundheitsrisiken im Zusammenhang mit Cannabiskonsum hin, insbesondere bei jüngeren Bevölkerungsgruppen in der Adoleszenz.
Dies mag einerseits an steigendem THC Gehalt liegen, oder auch an steigenden Konsumentenzahlen. (Anstieg des Konsums von Cannabis (12 Monatsprävelenz) 5 Jahre nach Legalisierung von 22 % auf 25 %, Einstiegsalter ist von 18,9 (2018) auf 20,8 (2023) gestiegen, Anstieg bei den unter 20-Jährigen von 38 % auf 43 %, Hauptanstieg in der Altersgruppe der 45-65-Jährigen von 19 % auf 25 %, Anzahl der Neueinsteiger hat sich verdoppelt, die Hälfte davon über 45 Jahre, Anteil der User im legalen Markt stieg von 23 % (2018), 47 % (2019), ca.70 % (2021))
Es zeigt aber so oder so deutlich die Notwendigkeit laufender Forschungsarbeiten und Interventionen im Bereich der öffentlichen Gesundheit, um die Komplexität des legalen Cannabiskonsums und dessen Auswirkungen zu verstehen.
Mit einer kurzen Meldung, zwischen anderen Nachrichten, bei denen man sich einen möglichen Zusammenhang herauspickt, sollte man weder für Freizeitkonsum, noch gegen Freizeitkonsum argumentieren. Schon gar nicht zu Zeiten des Wahlkampfs!